Wolfram Hänel liest in der Realschule
Wolfram Hänel liest in der Realschule
Mittwoch, 13. April 2011
„Stimmt, der Gong hier ist deutlich lauter als an anderen Schulen“, erinnert sich Jugendbuchautor Wolfram Hänel, als ihm das ohrenbetäubende Pausensignal in die Lesung hineindröhnte. Der an diesem Morgen im Auftrag des hannoverschen Friedrich-Bödecker-Kreises in die Bibliothek der Heinrich-Göbel-Realschule gekommene Hänel kennt Schule und Schüler, und macht nach deren schläfriger Erwiderung seines „OK, Guten Morgen!“ erst einmal ein paar klare Ansagen.
Einige Vorwitzige werden höflich aber bestimmt auf Kurs gebracht, und spätestens als der Mann mit dem wallenden Haupthaar und dem Riesenschnäuzer ins erste Kapitel von „Alk“ einsteigt, merken die ersten Achtklässler auf. Hänel beherrscht das, was das Fachchinesisch der Pädagogen „jugendaffine Sprache“ nennt. Er trifft den richtigen Ton. Mit Sätzen wie „das Zeug schmeckte wie Rattenpisse, machte aber ganz schön breit“ oder der Feststellung „Rauchen und Trinken, das isses, Kotzen gehört dazu“.
Die Geschichte von der wohlstandsverwahrlosten Clique, die am Kanal rumhängt, die Zeit und den Frust mit Alk, also „richtigem Alk, nicht Wodka Feige oder so ´n Kindergesöff“, und gefährlichen Mutprobe auf der Kanalbrücke totschlägt, erregt die Aufmerksamkeit der morgenmüden Achtklässler. „Ende Kapitel eins“, sagt Hänel, und fragt in die Stille: „Krieg´ ich ´n Applaus?“
Er legt mit dem zweiten Kapitel der Geschichte um Marie, „Marx“, Alex und Krawinsky nach, schildert Gruppenzwänge und innere Konflikte der Hauptperson, atmosphärisch dicht und sprachlich überaus „jugendaffin“. Die jungen Zuhörer haben kapiert. Jetzt kommt der Applaus ohne Ansage.
Dann kehrt Hänel den Spieß um, provoziert Fragen. Theaterfotograf bei der Landesbühne sei er gewesen, ehe er das Schreiben entdeckt habe. Mittlerweile habe er in 24 Jahren knapp über hundert Bücher geschrieben. Ausführlich erklärt Hänel die Dreiecksbeziehung Autor, Verlag, Buchhändler – und fährt einem hartnäckigen Zuhörer in die Parade, der vorzurechnen versucht, dass Autoren mit solchen Lesungen reich werden. Der schmollt, die Kumpels lachen.
„Das is´ extrem flüssig zu lesen“, lobt eine Schülerin. „Nich´ wie so´n Schnulzenroman der Eltern.“ Jugendbuchautoren müssten schreiben wie die Leute wirklich sprechen, sagt Hänel. Zwar kein „Schulhofdeutsch“, aber authentisch. Ein Wort das Hänel meidet, ist es doch für Schüler, die selbst beim Begriff „Illustrator“ die Achseln zucken, ungeeignet. Stattdessen liest er eine von Verlag aus dem Manuskript gekippte Szene über Sprüche an der Wand des Schulklos vor. Und erntet Respekt und sogar ein bisschen Bewunderung.