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„Operamobile“ mit Lortzings „Der Wildschütz“

„Operamobile“ mit Lortzings „Der Wildschütz“

Sonntag, 17. April 2011

„Mit Dir würde ich gerne mal online geh´n. Soll ich Dir erklären, wie man sich bei Facebook anmeldet?“ Ganz schön kess der Ton in Bettina Delius´ Bearbeitung von Albert Lortzings komischer Oper „Der Wildschütz oder Die schuldlos Schuldbewussten“. Sylvester 1842 in Leipzig uraufgeführt, beschreibt Lortzings Musik in bester Lustspielmanier die volkstümliche Welt der Dorfbewohner wie die des Adels. In Anlehnung an ein Lustspiel von August von Kotzebue und vor dem Hintergrund des revolutionären Umbruchs der Epoche spart Lortzing nicht mit allerlei Anspielungen auf biedermeierliche Schulmeister-Mentalitäten und adlige Schnöseleien.

 

Bild: Daniel Eggert als Schulmeister und Cecilia de Mazière als seine Grete

„Der Wildschütz“ ist die dritte Opernproduktion, die Alexander Sengers Ensemble „Operamobile“ auf die Bühne bringt. Nach einem Probelauf in Langenhagen war die Premiere im Münderaner Martin-Schmidt-Konzertsaal ausverkauft. Ab 14 Uhr gab es – wie immer in Sengers „Opern- und Operettencafé „all inclusive“  – Kaffee und Kuchen, zur Pause ein Gläschen Sekt.

Im Mittelpunkt aber stand die frische und lebendige, intelligent entrümpelte und aufs Wesentliche reduzierte Volksoper um den Schulmeister Baculus, der sich den Hochzeitsbraten im herzoglichen Park schießt und zur Erkenntnis kommt, dass er seinen eigenen Esel – dargestellt vom Sengers Bobtail Poldi – dahingerafft hat. Was für ein  Esel, der Herr Schulmeister.

Bettina Delius gelingt eine moderate Modernisierung, deren respektlose Frische die Handlung aus dem 19. Jahrhundert überzeugend ins digitale Zeitalter transportiert: Bildungsnotstand und PISA-Studie werden ebenso verarbeitet wie aktuelle Anspielungen auf geklaute Doktortitel, zwei Frauen (Bettina Delius als Baronin Katharina und Marie-Luise Bodendorff als Nanette) schlüpfen in die Rollen cooler Jungs mit Basecaps und entsprechender Sprache, während die ältliche Gräfin Irmentraut von Eberbach von einem gewohnt umwerfend komischen Achim Niedziella verkörpert wird.

Dazu gab es zwei forsche adlige Jungspunte, ganz ohne Gel im Haar: Graf Roland (Roman Tsotsalas) und Baron Viktor (Christoph Rosenbaum)  betörten die Damen und frönten Reiterei und Jagd. Bassbuffo Daniel Eggert dagegen erwies sich als gefeuerter Oberstudienrat Sebastian Baculus weniger helle als seine reizende Braut Grete (Cecilia de Mazière).

Wie immer mit sparsamem aber effektvoll und einfallsreich genutztem Bühnenbild, vor allem aber mit einer überzeugenden dramaturgischen Gestaltung haben Alexander Senger und seine Truppe Lortzings Stück revitalisiert und den durchweg betagten Zuschauern einen höchst vergnüglichen Nachmittag bereitet. Schade, eigentlich, denn auch Jüngere sollten mit dieser frischen Fassung des „Wildschützen“ durchaus mal „online“ gehen.

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