Goethe gegen den Strich gebürstet
Goethe gegen den Strich gebürstet
Mittwoch, 20. April 2011
Goethe, das ist der auf dem Denkmal. Die entrückte Bildungsbürger-Ikone, die zu allem etwas Hochgeistiges, Bedeutungsvolles und Zitierfähiges zu sagen hat. Mag sein. Ganz anders jedenfalls hat sich Bernd Bruns am Dichterfürsten abgearbeitet. Seine in mehr als 30 Jahren entstandenen Goethe-Gedichte sind zwar eine Hommage an den Weimarer Altmeister, doch beileibe keine Lobhudelei.
Bild: Bernd Bruns vor Goethe-Denkmal in Rom
In „Dass ich einst und heutig bin – Goethe 2.0“ will Bruns „sich an ihm reiben, die heutige Wirklichkeit in ihm spiegeln“. Und so zeigt der Vorsitzende der Hamelner Bibliotheksgesellschaft zumeist den alltäglichen Goethe, den gefeierten, den frivolen, den theatralischen, den unermüdlich reisenden, und natürlich „Goethe in love“. Was Shakespeare recht, muss Goethe schließlich billig sein. Bruns: „Einer der ganz großen Liebenden der Literatur, der sich weit über 70 noch mal so richtig verknallt hat.“
Bruns bürstet Goethe ordentlich gegen den Strich – aber mit Ehrfurcht. Will der ehemalige Schulmeister Bruns damit verschüttete Zugänge zum Universalgenie wieder „reloaden“? „Das war nicht meine primäre Absicht, eher zu zeigen, wie man auch heute produktiv mit ihm umgehen kann.“
Bernd Bruns´ Goethe-Buch ist einfallsreich, amüsant, wortgewaltig und trifft den „Goethe-Sound“ in angemessenem Stil. Im „Kön Erlig“ („Wer so reitet, braucht sein Gesicht nicht zu verbergen“) ebenso wie in Betrachtungen über die erfolgreiche „Friedenserziehung im Hause G.“, kommt doch Mutter Goethe die Spielzeugguillotine zum Köpfen von kleinen Strohpuppen nicht ins Haus. Und Bruns´ Goethe-Texte sind beklemmend aktuell, fordert er doch in einem zehn Jahre nach Tschernobyl entstandenen Text in Anlehnung an Goethes „Zauberlehrling“: „In die Ecke / Strahlenwesen! / Sei´s gewesen“
Doch der Autor sieht auch die Schwächen des Dichterfürsten: „Immer dann wenn er sich zu klassizistisch gebärdet, zu abgehoben, wenn er sich den Tod mit Worten wie ´ausbleiben´, ´entweichen´, ´sich davonmachen´ vom Halse halten will.“
Bernd Bruns: „Dass ich einst und heutig bin – Goethe 2.0“. Das 192 Seiten starke Buch über 30 Jahre lustvoller Goethe-Rezeption ist im Selbstverlag erschienen, kostet 19,95 Euro und in Hamelner Buchhandlungen erhältlich.