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Mach mir den Wickert

Mach mir den Wickert

Mittwoch, 04. Mai 2011

Mach mir den Wickert!

Von Christoph Huppert

Paris ist die Stadt der Liebe. Und die braucht Beweise. Immer wieder und überall. Vor allem auf einem Frühlings-Wochenendtrip in die Seine-Stadt. Selbst nach einer nächtlichen 8-Stunden-Anfahrt per Reisebus, einem sehr frühen Café au Lait am Montmartre und aufsteigender Mittagsmüdigkeit bei der obligatorischen Shoppingtour entlang der Rue de Rivoli sollte der mit Päckchen beladene Ehemann auf überraschende Einforderungen von Liebesbeweisen gefasst sein.

„Mach mir den Wickert!“, sagt sie plötzlich am Rand des tosenden Fahrzeugmeers am Place de la Concorde. „Wen?“ „Na den Wickert, Du weißt doch, der hier so lässig rübergegangen ist.“ Ich setze die Päckchen ab und überlege eine Sekunde lang, ob ich ihr lieber eine Eiffelturmbesteigung zu Fuß vorschlagen soll. Doch da hat sie schon „Ich warte drüben“ gesagt und ist auf dem Weg – außen herum über die sicheren Überwege.

Ich erinnere mich schwitzend an die Filmsequenz der blutjungen, schlaksigen Korrespondenten-Ikone. Die ging raschen Schrittes, fortwährend Erklärungen abgebend, durch diese Autohölle. Unversehrt.

Ich aber zögere. Es ist wie auf dem Zehn-Meterbrett. „Nicht die Autos anschauen, dann denken die, sie müssten aufpassen, hat man aber Blickkontakt, dann denken sie, dass der doch aufpassen kann“ hatte Wickert geraten. Ich starte mäßigen Schrittes. Mein Herz pocht. Ich gehe und gehe, die tödliche Gefahr im Augenwinkel. Nein, jetzt nicht rennen. Ich unterdrücke Fluchtreflex und Panikattacke. Ein Lieferwagen verfehlt mich um Zentimeter. Dann plötzlich löst sich alles. Es funktioniert. Ich scheine nur so über die Place de la Concorde zu gleiten. Das hat etwas von Surfen. Meine Anspannung löst sich.

Geschafft. Strahlend und stolz gehe ich auf meine Frau am gegenüberliegenden Ufer zu. „Na siehste, geht doch“, sagt die bloß. „Wo sind die Päckchen?“

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