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Gilla Cremer mit „Lili Marleen und Lale Andersen“

Gilla Cremer mit „Lili Marleen und Lale Andersen“

Sonntag, 08. Mai 2011

Wie, Sie hätten sich mehr der alten Lieder gewünscht? Wer  eine Retro-Show mit beliebten Melodien der Lale Andersen im Stile des „Wunschkonzerts der Wehrmacht“ erwartet hatte, der war ohne Frage fehl am Platz. Was Gilla Cremer zusammen mit Gerd Bellmann am Flügel dem Hamelner Publikum im sehr gut besuchten großen Haus präsentierte, waren nicht mehr und nicht weniger als ein großartiger Schauspielabend und eine rundum exzellente Aufarbeitung eines kaum noch erinnerten, weithin unbekannten Kapitels der Geschichte der populären Musikkultur.

Im Mittelpunkt standen der erste deutsche Millionenhit „Lili Marleen“ und dessen Interpretin Lale Andersen. Die hieß eigentlich Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg, wurde 1905 in Bremerhaven geboren, heiratete mit 17, bekam drei Kinder, die sie, 24-jährig, verließ, um nach Berlin zu gehen.

In eindringlichen Szenen stellt Cremer den Lebensweg der Sängerin vor: Scheidung,  Berliner und Züricher Zeit, ihre Liebe zum jüdischen Komponisten und späteren Intendanten Rolf Liebermann, die Entstehung des Liedes „Lili Marleen“, die schleichende Verstrickung in den Nationalsozialismus und die Vereinnahmung durch die Nazi-Propaganda, die Rettung vor dem KZ in letzter Minute.

Es sei ihre „erschreckende Beziehungslosigkeit zum Geschehen der Zeit“ gewesen, so wird sich die Sängerin, die sich Lale Andersen nannte, später im Rahmen der Entnazifizierung zu ihrer Verantwortung bekennen. Andere, wie Lili-Marleen-Vertoner  Norbert Schultze („Bomben auf Engeland“, „Führer befiehl, wir folgen“) ließen sich dagegen auch mit Hilfe des internationalen Erfolges von „Lili Marleen“  reinwaschen  und richteten sich in der Bundesrepublik wieder gut ein.

Es ist der Verlust der Unschuld, der der Sängerin und der des Liedes, den Cremer eindrucksvoll über die Rampe bringt. Da gewinnt das Balancieren auf einem Stapel alter Armeemäntel hohen symbolischen Wert, geht ebenso unter die Haut wie ein Dreiergespräch zwischen Grethe Weiser, Marika Rökk und Lale Andersen am Rande der Truppenbetreuung. Doch deren Tanz mit dem Teufel in Person des Staatsrats in der Reichskulturkammer, SS-Brigadeführer Hans Hinkel, hat längst begonnen.

Am Ende bleiben Täter wie er unbehelligt, die Künstler und ihre Musik aber haben ihre Unschuld – und die Andersen obendrein ihre große Liebe – eingebüßt. Wenn die Cremer in dieser Situation dann „Lili Marleen“ singt, dann ist´s Zeit für Gänsehaut und ein Tränchen.

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