Piazzolla meets Bach – Meisterkonzert in Bad Münder
Piazzolla meets Bach – Meisterkonzert in Bad Münder
Donnerstag, 26. Mai 2011
Keine Frage, diesem Konzertabend darf man wohl ohne Übertreibung die Adjektive „einmalig“ und „denkwürdig“ zuordnen, und auch von einer „Sternstunde“ zu sprechen ist keineswegs zu hoch gegriffen.
Dabei war beim Studium des Programms Skepsis angesagt. Wie würde das zusammengehen? Der Komponisten-Übervater Johann Sebastian und ein argentinischer Tangomusiker? Doch was der aus Buenos Aires stammende Musiker Carlos Buono auf seinem Bandoneon dann an Klängen in den sehr gut besuchten Martin-Schmidt-Konzertsaal zauberte, das entsprach nicht nur dem Motto des Abends – „Spannungen“ -, das waren „Hochspannungen“, die das Konzertpublikum schlichtweg elektrisierten.
Bild: Bandoneonist Carlos Buono im Martin-Schmidt-Konzertsaal Bad Münder
Dirigent Hermann Breuer folgte der bei den Meisterkonzerten guten Traditionen, nach der das Publikum nicht mit der Musik alleine bleibt, sondern der Musikgenuss durch sachkundige, wohldosierte Erläuterungen angereichert wird. 250 Jahre und die halbe Welt stünden zwischen Bach und Piazzolla, dennoch offenbare deren Musik eine Seelenverwandtschaft.
Das von ihm behutsam geleitete Schlesische Kammerorchester eröffnete mit Bachscher Strenge („Jesus bleibet meine Freude“), Buono kontrastierte mit Piazzollas „Libertango“ und das Orchester wiederum setzte die „Air aus der Suite Nr. 3 D-Dur“ neben Piazzollas „Tristeza de un doble A“. Und siehe da, statt scharfer Schnitte offenbarte sich tatsächlich eine musikalische Seelenverwandtschaft.
Der nächste Stern dieser Sternstunde war die Pianistin Ulrike Payer, in Bad Münder schon vor Jahren reich beklatscht, die in Bachs „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 D-Moll“ brillierte. Und dann riet Hermann Breuer: „Jetzt schnallen Sie sich an!“ Carlos Buono, der freundliche älterer Herr am Bandoleno, entfesselte mit „Tres minutos con la realidad“ drei Minuten aus der Realität, die diesen Abend denkwürdig werden ließen.
„Er ist sehr lebendig, sehr redselig, findet über all Kontakt, sogar in den arabischen Staaten“, erzählte Ulrike Payer über den Argentinier.
Im zweiten Teil umrahmten seine Interpretationen und Improvisationen zu kongenialen Piazzolla-Klassikern wie das durch seine tiefgehende Schlichtheit gekennzeichnete „Oblivion“, oder Piazzollas nach eigenen Aussagen bestes Stück „Adiós Nonino“, der Abschied vom Vater, das Bachsche „Konzert für zwei Violinen und Orchester d-Moll“, in dem Konzertmeister Dariusz Zboch zusammen mit Pawel Nalepa als Solisten glänzten.
Am Ende sehr lang anhaltender Applaus, stehende Ovationen, und die Erkenntnis, dass die Emotionalität von Piazzollas „Tango Nuevo“ und die mathematische Strenge Bachscher Musik in ihrer existenziellen, universellen Gültigkeit in der Tat zwei Seiten derselben Medaille sind.