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Dartspielen ist im Kommen

Dartspielen ist im Kommen

Donnerstag, 02. Juni 2011

Freitag kurz nach 18 Uhr. Im sauber herausgeputzten Vereinsheim des SC Diedersen begrüßt Reinhard Timmermann, der Leiter der Dart-Sparte, seine Vereinskollegen zum wöchentlichen Pflichttraining. In der kleinen Küche nebenan röchelt die Kaffeemaschine und die Lichtstrahler erhellen bereits die fünf Dartscheiben. Fünf Mitglieder der Dart- Bundesligamannschaft des SC Diedersen beginnen sofort damit, sich warm zu werfen.

Bild: Johann Honner ist Bundesliga-Spitzendarter des SC Diedersen


Die Ursprünge des Dartspiels liegen im Dunkeln. Während die einen die Entstehung des Spiels in graue Vorzeit datieren, verweisen andere auf das Mutterland vieler Sportarten, England, und darauf, dass Anne Boleyn ihrem Mann Heinrich VIII. einen Satz dieser aus Frankreich stammenden Pfeilwaffe geschenkt habe. Im puritanischen England lange als Glücksspiel gebrandmarkt und verboten, wurde das Dartspiel erst 1908 zum „Geschicklichkeitsspiel“ und Sport erklärt, mit der Folge, dass es fortan in Pubs gespielt werden durfte.

Man erzählt sich, dass der Gastwirt Jim Garside, Inhaber des Adelphi Inns in Leeds, wegen Wetten auf das Glücksspiel Darts angeklagt war. Vor Gericht aber ging er mit Unterstützung des besten Dartspielers der Gegend, William ‚Bigfoot‘ Anakin, in die Offensive. Man hängte eine Dartscheibe im Gerichtssaal auf und William ‚Bigfoot‘ Anakin bewies dem Gericht seine Treffsicherheit, indem er dreimal die 20 traf. Ein Gerichtsdiener, der ihm nacheifern wollte, traf nur mit einem Pfeil die Scheibe. Woraufhin Anakin die Demonstration seiner Treffsicherheit nochmals steigerte, indem er dreimal die zweifache 20 traf. Von so viel Können waren die Richter beeindruckt und fällten das Urteil: „This is no game of chance“ (Dies ist kein Glücksspiel).

Längst hat sich der ehemalige Kneipen- zum Leistungssport gewandelt, der neben Ausdauer und Geschicklichkeit auch Kraft verlangt. „Wenn man einen Abend bis weit in die Nacht beim Training immer wieder drei Pfeile hintereinander geworfen hat, dann spürt man das am nächsten Tag im Arm“, erklärt Johann Honner. Der 55-Jährige ist einer der deutschen Spitzenspieler und belegt hinter seinem Vereinskollegen Andrew Beeton Platz 13 der Rangliste des Deutschen Dart-Verbandes (DDV).

Schon nach den ersten Würfen zeigen sich die Spieler des SC Diedersen gewohnt treffsicher.  „Das ist wie Radfahren, das hat man drin, das kommt immer wieder“, so Honner – und jagt aus der vorgeschriebenen Wettkampfentfernung von 2,37 Metern einen Dreier-Satz Pfeile in eines der rechteckigen roten Segmente der Dartscheibe, deren Mittelpunkt, das 12,7 Millimeter große „Bull´s Eye“,  1,73 Meter über dem Boden angebracht ist.  Die Segmente des aus Sisalfaser gefertigten  Dartboards, das einen Durchmesser von 34 Zentimetern hat, teilen sich in 20 Abschnitte mit der Wertigkeit 1 bis 20 und den Mittelpunkt Single Bull = 25 und Bull’s Eye = 50 Punkte.  „Jeder entwickelt seine ganz spezielle Wurftechnik. Das ist wie eine Handschrift. Einen allgemein gültigen Standard gibt es da nicht“, erklärt Reinhard Timmermann. „Manche versuchen sich am Stil berühmter Darter zu orientieren, aber es bleibt immer eine sehr individuelle Angelegenheit.“

Johann Honner, der seit 1988 Dart spielt und 1990 zum SC kam, hat seinen Stil schon lange gefunden. Ein kurzer Blick („Da wo man hinschaut, da geht auch der Pfeil hin“), eine energische Bewegung aus dem Handgelenk und der Parabelflug des Pfeils landet an der gewünschten Stelle.

Genauso individuell wie die Wurftechnik ist die Auswahl der Dartpfeile, der Steeldarts. „Da muss jeder das für ihn passende Material finden. Vor allem das Gewicht ist Ansichts- und Gefühlssache“, so Honner. Die aus sieben einzelnen Bestandteilen zusammengesetzten, im Wettkampf eingesetzten  Wurfpfeile wiegen zumeist 18 bis 25 Gramm, denen an deren Ende vierflüglige „Flights“ beim nur Sekundenbruchteile dauernden Flug Stabilität verleihen. Rund 50 Euro kostet ein Satz mit drei Steeldarts.

Mittlerweile haben die Bundesligaspieler erste Zweikämpfe begonnen.

„Tonne 40“ ruft Honner dem Schreiber, der direkt neben dem Board die Ergebnise der Würfe notiert, zu. „Tonne heißt 100, also 140“, so der Bundesliga-Darter. Die Diederser spielen „501“, die Wettkampfvariante. Beide Spieler haben 501 Punkte und werfen abwechselnd ihre drei Pfeile auf die Scheibe. Die vom Spieler erreichten Punkte werden von den 501 Punkten abgezogen. Wer zuerst genau null Punkte erreicht, hat gewonnen. Wirft ein Spieler in einer Runde mehr Punkte, als die ihm verbliebenen, um null Punkte zu erreichen, sind seine Würfe dieser Runde ungültig. „Das heißt dann ´Überwerfen´“, so Honner, „man muss den verbleibenden Rest also geschickt ´ausmachen´“.

Sagt´s und kommentiert seine Strategie zum „Ausmachen“ seiner in dieser Runde verbleibenden Restwürfe: „… also noch Tonne 40 Rest, also 140, dann ne Triple 20, also 81, und ein dreifach 19 gleich 57, bleiben 24, also Doppel 12, oder andersrum dreifach 15, Triple 20, Doppel 18, dann hat man ausgemacht.“ Die Kopfrechenkünste des Dart-Experten sind nicht weniger atemberaubend wie seine Wurfpräzision. Während der Betrachter noch nachrechnet  und am Ende „stimmt!“ murmelt, haben Honner und sein Kontrahent schon die nächste Runde ihres „best of five“-Duells absolviert.

Den Gegner könne man im Wettkampf nicht im Auge behalten. Erst wenn das Kreuz für den gewonnene Runde auf der Schreibtafel erscheine, wisse man, dass man gewonnen habe und die 501 Punkte „passend mit weniger Würfen als der Gegner heruntergespielt“ habe. In der Regel brauche er dazu zwischen 10 und 15 Würfen, um „auszumachen“, so Honner. „Der allergrößte Gegner ist man dabei selber“, sagt er. „Man muss sich ganz und gar auf die eigene Leistung konzentrieren, natürlich immer richtig mitrechnen, und darf sich nicht von misslungenen Würfen beeindrucken lassen. Die muss man wegstecken und sich auf den nächsten Wurf konzentrieren.“

Neben „501“ gibt es auch noch viele andere Variationen des Dartspiels, die sich durch die Art des Zählens der Ergebnisse unterscheiden: Killer, around the clock, Fuchsjagd, blinder Killer. „In der Bundesliga aber wird ´501´ gespielt“, so Reinhard Timmermann, der sich an diesem Abend vor allem um die Neulinge Wolle, Nicki und Tobi kümmert. Dartsport werde zunehmend beliebter, doch wer es ernst damit meine, der sehe schnell ein, dass auch hier nur fleißiges Training den Erfolg bringe.

„Konzentration, Kopfrechnen, Teamgeist, das sind die wichtigtsen Eigenschaften dieses Sports“, so der Spartenleiter. Gerne würde er Kooperationen mit Schulen schließen, denn „diese Tugenden sind auch für Jugendliche sehr nützlich.“

„Wenn man allerdings Profis werden will, dann muss man auch acht Stunden am Tag trainieren. Und die Startgelder bei großen Turnieren sind sehr hoch, ohne Sponsoren ist da nichts zu machen“, weiß Honner. Er opfert sogar seinen Jahresurlaub, um an großen Turnieren teilnehmen zu können, reist mit Freunden sogar bis nach Lettland, um dort zu spielen.

Am liebsten aber spiele er zuhause vor dem Fernseher, wenn dort große Turniere gezeigt würden. „Dann kann man synchron gegen die Superstars antreten, und schneidet manchmal gar nicht schlecht ab“, erzählt er.

Auch Florian Rusche hat sich mit dem Dart-Virus infiziert. Der 30-jährige Coppenbrügger kommt von E-Dart., der elektronischen Variante des Spiels. „Steeldart ist aber wesentlich reizvoller, nicht nur wegen des Kopfrechnens“, lacht er. Sein Ziel sei es,  „beim Dart ein bisschen anzugreifen.“ Und vielleicht einmal Bundesliga zu spielen. Honner, Timmermann und ihre Dartfreunde spielen an diesem Freitag noch lange bis in die Nacht. Schließlich steht die Deutsche Meisterschaft in Winnweiler vor der Tür. Da treffen die Diederser auf die gefürchteten Bochumer. „Wir hoffen aufs Beste“, sagt Honner zum Abschied.

Das Hoffen und das ausgiebige Training haben geholfen. Um 16 Uhr am 29. Mai kommt die Nachricht, dass die Diederser den spielstarken Rekordmeister Bochumer im Halbfinale ausschalten konnten und sich erst im Finale dem DC Vegesack aus Bremen knapp geschlagen geben mussten.

„Das ist wie ein Sieg über Bayern München oder wie dreimal zielsicher ins ´Bull´s Eye`“, jubelt ein Dart-Fan. Glückwunsch.

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