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Ruth Meyer liest Martin Suter

Ruth Meyer liest Martin Suter

Freitag, 24. Juni 2011

Ein Hauch mediterraner Gewürze weht aus der Küche herüber, gesellt sich zum zarten, über allem schwebenden Knoblauchduft. Als die Schauspielerin Ruth Meyer sich auf den Hocker am Tischchen vor der blutroten Wand und den davor stehenden pechschwarzen Regalen mit den edlen Tropfen aus Spanien, Frankreich und Italien quetscht, erstirbt das Tellerklappern der Gäste. Mit heller, energischer Stimme beginnt sie ihre Lesung aus Martin Suters „Allmen und die Libellen“.

Das im Januar erschienene Buch des 1948 geborenen, in Spanien und Guatemala lebenden ehemaligen Werbetexters und Kolumnisten der „Weltwoche“ ist so etwas wie ein „Beinahe-Krimi“. „Statt um Mord und Totschlag geht es aber viel mehr um die Psychologie der Personen“, erklärt Ruth Meyer in der Pause.

Sie hat die Handlung des 118- Seiten-Buches um gut ein Drittel gekürzt, stellt aber im Gegensatz zu üblichen Autorenlesungen die komplette Geschichte vor. Es gehe um die Würdigung des Autors, nicht um bloße „Verkaufsanreize“.

Der Schauspielerin gelingt ein in Stimmführung und Intonation bewundernswert unaufgeregter, dem Stil des an Patricia-Highsmith-Romane  erinnernden Suter-Textes absolut angemessener, ja mitreißender Vortrag. Lange, beschreibende Passagen wechseln sich ab mit ebenso genau gezeichneten, psychologische Tiefen auslotenden Charakterbildern. Ein bisschen Tom Ripley schwingt – freilich weniger bluttriefend – schon mit bei diesem Hochstapler Johann Friedrich „Fritz“ von Allmen, dem eleganter Lebemann und Feingeist, der, obwohl Sohn eines millionenschweren Vaters, über die Jahre finanziell in die Bredouille geraten ist. Fünf zauberhafte Jugendstil-Schalen bringen ihn und sein Faktotum Carlos auf eine Geschäftsidee: eine Firma für die Wiederbeschaffung von schönen Dingen.

Ruth Meyers Rezitation lässt die Zuhörer sich wegträumen in Allmens ebenso spannende wie gefahrvolle Welt. Irgendwo draußen knattert ein Moped, ein Hund bellt unermüdlich, und wer die Augen schließt und tief durchatmet, der erlebt eine sehr sinnliche Gesamtkomposition aus Krimi, Klang und Küche und dem leicht benebelnden Roten am Gaumen.

Ruth Meyers exzellente Vortragskunst und die Ingredienzien des „genius loci“ haben diesen Abend gleich in mehrfacher Hinsicht zu einem ästhetischen Genuss besonderer Art gemacht.

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