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Brecht-Lesung beim Sanddorn-Wochenende in Flegessen

Brecht-Lesung beim Sanddorn-Wochenende in Flegessen

Sonntag, 04. September 2011

Noch brannte die Sonne vom blauen Himmel über dem Süntel und wahre Heerscharen von Ausflüglern drängten auf den Hof und in die Wanderscheune der Flegesser Sanddorn-Stuben, wo ihnen Inse Brandes und ihr mit orangefarbenen T-Shirts bekleidetes Team die „Zitrone des Nordens“ und als Kulturprogramm eine Lesung mit Texten von Bertolt Brecht servierten.

Sanddorn, auch Weiden-, Dünendorn, Fasanenbeere oder Rote Schlehe genannt, heißt die nur erbsengroße Vitamin C und B-Bombe. Einen Hektar groß ist die Plantage mit den eng am Stiel wachsenden, leuchtend orangefarbenen Früchten.

„Die sind nur alle zwei Jahre zu ernten, brauchen Sandböden, wachsen also vorwiegend am Meer auf Dünen oder in Brandenburg“, erklärt Brandes. Zur Ernte werden die Zweige abgeschnitten, im eigenen Betrieb bei 20 Grad eingefroren, die Beeren abgeschüttelt und in einer Mosterei in Ockensen zu Saft verarbeitet.

Daraus zaubert Inse Brandes eine Vielzahl von Produkten: Torten, Wein, Prosecco, Joghurt – und seit kurzem sogar Sanddorn-Eis. Seit ihrer Gründung vor fünf Jahren hat sich die Geschäftsfrau mit ihren Sanddorn-Stuben einen über die Region hinaus gehenden Namen verschafft. „Die Zitrone des Nordens gibt es halt nur hier in Flegessen“, schmunzelt die Beeren-Expertin.

Im Verbund mit fünf anderen Hofcafes ist Brandes stets bemüht, immer wieder Neues rund um die  Allround-Beere zu entwickeln.

Garniert wird das kulinarische Alleinstellungsmerkmal des kleinen Süntel-Ortes durch ein mittlerweile recht erfolgreiches Kulturprogramm.

„Wie den Übergang vom Sanddorn zu Bertolt Brecht finden? Schwierig“, stellte Jürgen Schoormann zu Beginn seiner Lesung fest. Immerhin, hart sei der Dramatiker sicherlich gewesen, eher  „bitter als sauer, auf jeden Fall aber vitaminreich, was geistige Nahrung betrifft.“

In einer beeindruckenden, wohl ausgewogenen Balance zwischen knappen Skizzen zur Brechtschen Biografie und bekannten und unbekannten Werkzitaten stellte der ehemalige Leiter eines Hamelner Gymnasiums die Dramatik, Gradlinigkeit aber auch Vielfalt im Leben und Werk des Dichters dar.

Schoormann rezitierte – mit spürbarer, durch langjährige Theaterarbeit erworbene Sprecherfahrung – die Brechtschen Passagen mit behutsamer Eindringlichkeit, stellte natürlich die „Fragen eines lesenden Arbeiters“, trug beklemmend aktuelle Texte zum Thema Arbeitslosigkeit vor, brachte kämpferische Antikriegtexte ebenso auf den Punkt wie ergreifende Liebesszenen aus dem „Kreidekreis“.

Am Ende Brechts Hoffnung darauf, „die Welt uns endlich häuslich einzurichten“. Das schien an diesem Sommer-Sonnen-Sanddorn-Nachmittag  in Flegessen dann zumindest für einen Augenblick Wirklichkeit geworden zu sein.

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