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Tennessee Williams´ „Die Glasmenagerie“

Tennessee Williams´ „Die Glasmenagerie“

Donnerstag, 22. September 2011

Was sie sich denn wünschen solle, fragt Laura, die gehbehinderte Tochter, ihre Mutter beim nächtlichen Blick in den Mond. „Glück, mein Kind, ein bisschen Glück, Glück, Glück“, antwortet die euphorisch. Doch gerade ihre krampfhafte, panische Züge annehmende Glückssehnsucht reißt am Ende alle ins Verderben.

Bild: Monika Wegener als Laura Wingfield (Foto: Fantitsch)

„Die Glasmenagerie“, Tennessee Williams´ autobiografisch gefärbtes Erstlingswerk, brachte dem in einer Reihe mit Dramatikern wie Arthur Miller, Eugene O´Neill, T.S. Eliot und Thornton Wilder zu nennenden Autor 1944 den großen Durchbruch.

Wie in der „Glasmenagerie“ scheitern Williams´ Charaktere zumeist an ihrer Unfähigkeit aus eigenen Grenzen auszubrechen, erfahren die Abwertung des Menschen durch das moderne Leben. Nur Traumwelten bewahren sie zumindest einen Moment lang vor der Katastrophe.

Die Handlung spielt in den Jahre der Großen Depression. Amanda Wingfield (Angelika Thomas), eine heruntergekommene, vom Ehemann sitzen gelassene Südstaatenschönheit, lebt mit ihren erwachsenen Kindern zusammen. Der verhinderte Schriftsteller Tom (Felix Lohrengel) bringt die Familie mit seinem ungeliebten Lagerhaus-Job durch, seine behinderte Schwester Laura (Monika Wegener) hat sich ganz in die Traumwelt ihrer Glasfigurensammlung zurückgezogen. Der abendliche Besuch von Toms Freund Jim (Michael Wanker), für Amanda der letzte Versuch Laura unter die Haube zu bringen, löst die Katastrophe aus.

Regisseur Yves Jansen inszeniert das Stück in der von Jörn van Dyck übersetzten Fassung nahezu wortgetreu und bleibt ganz dicht an Williams´ peniblen Regie- und Bühnenanweisungen. Die vier Akteure agieren in einem stimmigen und sehr funktionalen Bühnenbild, in dem sich Handlungsorte, Erinnerungs- und Erzählebene mischen und ein Drahtzaun die Unfähigkeit der Wingfields ihren falschen Lebensträumen zu entkommen versinnbildlicht. Das Bild einer gewaltigen, bedrohlichen Welle im Bühnenhintergrund verweist auf die Unausweichlichkeit des sich anbahnenden Unheils.

Angelika Thomas gewinnt der Amanda erst im zweiten Teil dramatische Tiefe ab, dann aber läuft diese nervtötende Übermutter zu wahrer Hochform auf. Felix Lohrengel verkörpert den zwischen Aufbegehren, Verantwortung und Lebenshunger hin- und her gerissenen Tom als Sohn und Erzähler sehr facettenreich und überzeugend.

Michael Wanker trägt als Jim einen Augenblick lang die Realität in die Traumwelt der Wingfields. Doch er erkennt seinen furchtbaren Fehler: was für ihn ein harmloser Flirt ist, bedeutet für die scheue Laura die Welt.

Mit deren anrührender Darstellung als von Minderwertigkeitsgefühlen gequälte Außenseiterin hinterlässt Monika Wegener den wohl intensivsten Eindruck des Abends. Einen Moment hofft sie, ihrem Schicksal entkommen zu können. Vergeblich.

Auch das Ende von Yves Jansens Hamburger Inszenierung dieses zeitlos gültigen Spiels um Vergeblichkeit und verpasste Gelegenheiten schnürte einem das Herz zu: dann, wenn Tom, der seine Familie längst verlassen hat, von der Erinnerung an seine Schwester getrieben, diese bittet: „Blas´ deine Kerzen aus, Laura.“

Stille, dann sehr lang anhaltender, dankbarer Applaus eines angerührten Hamelner Publikums für ein dank großer Originaltreue glänzend aufgeführtes Meisterwerk.

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