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Haudegen-Konzert in Hameln

Haudegen-Konzert in Hameln

Sonntag, 30. Oktober 2011

Ehrlich, sie sehen aus wie die Leute vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben: körperfüllenden Tattoos, berstender Bizeps, Silberkettchen, Lederjacke, Muskel-Shirts und bedrohlich heisere Stimmlage.

Bild: Harte Schale aber weicher Kern – Sven Gillert

Sven Gillert und Hagen Stoll aus Berlin-Marzahn sind das rüde Gegenbild zur aufgequollenen Comedy-Pink-Prinzessin Cindy. Zwei Gossenpoeten auf dem schnellen, steilen Weg nach oben. Deren Bühnenshow unter dem befremdlichen Logo eines direkt auf die Zuschauer abzielenden, umkränzten Schwertes gehört in der Tat zum Eindrucksvollsten, was seit langem in der sonst eher von einem zunehmend gesetzteren Publikum frequentieren Sumpfblume zu erleben war.

„So fühlt sich Leben an“, dröhnten die Sprechchöre der wohl durchschnittlich zwischen 20 und Ende 30  Jahre alten Haudegen-Gemeinde durch die Sumpfblume, wurden Feuerzeuge geschwenkt, die bissig-aufsässigen Texte mitgesprochen oder gesungen. Texte, die offensichtlich den Nerv einer ganzen Generation treffen, Texte wie „Wir gegen den Rest“, „Verloren im Wind“ oder „Setzt die Segel“. „Songs“, so Sven Gillbert „wie das Leben“, mit der Botschaft: nur weg, egal wohin. Zeilen wie „Ich bin ein einfacher Mann / brauch´ nicht viel zum Glücklichsein / doch daran geh ich kaputt“ spiegeln Zeitgeist und Lebensgefühl.

Es ist die Sehnsucht nach Orientierungspunkten, Sicherheit, Verlässlichkeit, nach vermeintlich guten „alten Werten und Traditionen“, nach einem kraftvoll-ehrlichen „ein Mann, ein Wort“, im Verbund mit „guter, ehrlicher, handgemachter Musik“. Doch die harten Jungs da oben auf der Bühne wissen sehr wohl, dass ihr Aufbruchsbegehren nur eine Attitüde sein kann, dass so hart die Schale, so weich der Kern ist, dass all die Beschwörung kraftvoll-gängiger Symbolik wie Meer, Sturm oder Eisberg am Ende vergeblich sein wird. Denn es bleiben auch den ältesten und erfahrendsten Haudegen die Narben des Lebens nicht erspart.

Was überleben hilft, ist einzig die Eindringlichkeit der zu Herzen gehenden proletarischen Poesie der Haudegen-Texte, das melancholische Gemeinschaftsgefühl, das ihre Musik den Fans schenkt, mal merkwürdig gedankenverloren, dann wieder voller bissigem Trotz und herrlicher Aufsässigkeit. Ja, „der Großvater sprach …“, „Haltet dem Sturm stand“, „Setzt die Segel“, singt das Sumpfblumen- Publikum in trauter familiärer Gemeinsamkeit. Eine ganze Generation „Verloren im Wind“, aber zumindest einen Abend lang glücklich, weil „zu Hause“ bei „Haudegen“ unter „Flügel und Schwert“.

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