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Über eine notwendige Liebe

Über eine notwendige Liebe

Sonntag, 01. April 2012

„Ich will alles vom Leben“, so die kompromisslose Maxime unter der die Schauspielerin Annette Wunsch zusammen mit Alexandre Pelichet und der Pianistin Polina Lubchanskaya im Egestorfer „Schaafstall“ Texte von Simone de Beauvoir präsentierte.

Bild: Annette Wunsch las Texte von Simone de Beauvoir

Die aus zahlreichen Radio- und Fernsehproduktionen bekannte freischaffende Schauspielerin verlieh dabei den sehr privaten Texten der „Grande Dame“ des französischen Existentialismus einen Charakter voll eindringlicher Intimität, spannte den Bogen von de Beauvoirs Jugenderinnerungen und wilder Pariser Studentenzeit über Passagen aus dem Tagebuch ihrer Amerikareise 1947 bis hin zur ergreifenden Schilderung vom Sterben Jean-Paul Sartres 1980.

Nicht nur Simone de Beauvoirs zu Beginn der Veranstaltung zitierte frühe Erkenntnis, dass die Vollkommenheit Gottes seine Wirklichkeit ausschlösse, verband die damals 21-Jährige mit Sartre, mit dem sie alsbald einen „Pakt der Liebe“ schloss. In einer heute wohl als „offene Beziehung“ bezeichneten, sehr intensiven Verbundenheit begleiteten sich Sartre und de Beauvoir ein Leben lang.

„Er ist der Doppelgänger, einer von gleicher Art“ schrieb de Beauvoir über diese „notwendige Liebe“, die beide durch zahlreiche Affären und andere Beziehungen vor „der Gefahr der Zersetzung durch Gewohnheit“ zu bewahren suchten.

Stimmlich überaus eindrucksvoll gestaltete Annette Wunsch Stimmungslage und inneren Konflikte de Beauvoirs nach deren inniger Liebesbeziehung mit dem amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren. Die innige Seelenverbundenheit mit Sartre jedoch blieb, denn, so de Beauvoir, „wir sind von einander abhängig, was heißt, wir sind zusammen von niemandem abhängig.“

Diese „richtige und zugleich  unmögliche Liebe“, so de Beauvoir in ihrem, 1954 mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten  Schlüsselroman „Die Mandarins von Paris“, überdauerte trotz der existentialischen Gewissheit, „dass der Tod Sartres sie beendet, und mein Tod uns nicht wieder vereint.“

Bild: Eindringlich in Wort und Gestik – Annette Wunsch und Alexandre Pelichet

Von Polina Lubchanskaya am Flügel sehr pointiert und äußerst gefühlvoll begeleitet, verwoben Annette Wunsch und Alexandre Pelichet Rezitation und Chansons zu einem Klang- und Hörerlebnis ersten Ranges. Der derzeit am Theater in St. Gallen tätige Schauspieler und Sänger zauberte dabei mit Chansons wie etwa Jacques Brels „Quand on n´a que l´amour“ („Wenn man nichts hat als die Liebe“) nicht nur unverkennbar Pariser Atmosphäre in den Raum, sondern stellte auch intensive musikalische Bezüge zu Simone de Beauvoirs Texten her.

Am Ende absolut verdienter, schier nicht enden wollender Applaus für diese überaus gelungene „Ménage à trois“ aus Wort, Gesang und Klavierbegleitung, und einen anrührenden Blick auf die ganz private Seite der bekanntesten feministischen Schriftstellerin und bedeutendsten Intellektuellen Frankreichs.

Bild: Gelungene Ménage à trois – von li.: Alexandre Pelichet, Polina Lubchanskaya und Annette Wunsch

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