„Musik hinter Gittern“ in der Jugendanstalt Hameln
„Musik hinter Gittern“ in der Jugendanstalt Hameln
Mittwoch, 25. April 2012
„Na los Mann, Du schaffst das!“ ruft ein Mitgefangener laut, als Pierre bei seinem kurzen Klaviervortrag an einer Stelle ins Stocken gerät. Mehrmals muss er ansetzen, doch dann ist die Klippe plötzlich wie von selbst umschifft und mit strahlender Miene setzt der Inhaftierte den Schlussakkord krachend in den vollbesetzten Saal der Jugendanstalt Hameln. Tosender Applaus ist der Lohn für Mut und Mühe.
Bild: Musik hinter Gefängnismauern – von li.: Varpu Heikinheimo, Kari Träder, Annelie Staude, Philipp Hagemann, Dieter Wagner, René Speer, Hartmut Zimmermann
Pierre ist einer von vier Gefangenen, die einmal pro Woche Klavierunterricht bekommen. Seit 2007 unterrichtet der Hamelner Musiklehrer Georgi Dimitrov drei Stunden lang interessierte Jugendliche in der Haftanstalt Tündern. Deren große Stunde schlägt dann beim alljährlichen Konzertnachmittag „Musik hinter Gittern“.
„Der findet bereits zum neunten Mal statt und wird von der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation“ veranstaltet“, erklärt Anstaltsleiterin Christiane Jesse. Dass es sich dabei um eine ganz besondere Veranstaltung handele, zeige auch die Teilnahme des Staatssekretärs im Justizministerium Dr. Jürgen Oehlerking. „Der ist bereits zum achten Mal dabei.“
Tapfer und mutig kämpfen sich die Vorspieler durch ein Mozart-Menuett, Filmmusiken und kleinere Übungsstücke. Dann aber schlägt die Stunde der jungen Profis.
Acht Werke – von Mozarts „Divertimento Es-Dur“, Beethovens Duett „Mit zwei obligaten Augengläsern“ bis Brahms´ „Klavierquartett Nr. 1“ – werden von den Musikerinnen und Musikern nicht nur fachgerecht und verständlich erläutert, sondern auch ebenso pointiert vorgespielt. Da weiß Tenor Dieter Wagner allerlei über Haydns „Schottische und walisische Lieder“ zu berichten und die junge Violinistin Varpu Heikinheimo lässt bei Paganinis „Caprice Nr. 1“ Bogen und Finger fliegen, nachdem sie kurz noch erklärt hat, was eigentlich ein „Pizzicato“ ist.
Bild: Virtuos – Varpu Heikinheimo und Kari Träder
„Nicht schlecht, hätte ich nicht gedacht“, so einige Gefangene beim Rausgehen. Wieder einmal haben Hartmut Zimmermann von der Leitung der im Mai 1995 von Erich Fischer gegründeten Stiftung und sein Ensemble ihr Ziel erreicht. „Förderung von Musik und Kultur, Humanisierung des Strafrechts und eine verbesserte Resozialisierung der Inhaftierten“ seien die Hauptanliegen der Stiftung, so Zimmermann. In insgesamt 16 Haftanstalten wird „Musik hinter Gittern“ derzeit als Modellprojekt von „Amnesty National“ angeboten. „Wir sehen uns im nächsten Jahr zum Jubiläum wieder“, kündigt Zimmermann an. „Hoffentlich nicht“, erwidern einige Gefangene lachend.
Bild: Im Duett – Annelie Staude und Dieter Wagner